HAU 1: 16. / 17. April, 19.30 Uhr

Marcelo Evelin / Demolition Inc.

»Bull Dancing«

Deutsche Erstaufführung
Publikumsgespräch: 17. April, im Anschluss an die Vorstellung

Bull Dancing ist ein Tanz-, Theater- und Musikstück, das von einem traditionellen Straßenumzug ausgeht - dem Bumba Meu Boi -, dessen Wurzeln im Nordosten Brasiliens liegen. Ursprünglich trägt diese Darstellung satirische, komische und tragische Züge, erzählt die Geschichte vom Tod und der Wiederauferstehung eines Stiers - und wird dabei von Tänzen, Gesang und perkussiver Musik begleitet. Die Geschichte handelt von Catirina und Chico: Sie ist schwanger und ihr gelüstet nach der Zunge eines Stiers. Catirina überredet ihren Ehemann, den Stier des Herrn zu töten – einen verzauberten Stier, der tanzen kann… Noch heute wird der Bumba Meu Boi als kollektives Ritual von großer sozialpolitischer Bedeutung in ganz Brasilien begangen.

Durch die Dekonstruktion der ursprünglich folkloristischen Elemente findet Bull Dancing wieder zu den Ursprüngen des Rituals; bildlich gesprochen geht es um das ‚Durchwühlen’ der Innereien des Körpers, der in dem Stück als Allegorie behandelt wird. Der Körper transportiert das Überleben der Tradition und trägt die Gedanken und Aktionen in sich, die bis in die Gegenwart gültige Formen und Bedeutungen erzeugt haben. In dem Stück dient der Körper als Metapher für diesen heutigen und profanen Stier in jedem von uns: aus dem Bauch heraus, verletzbar, wandelbar, zeitbedingt, einzigartig und universal!

Bull Dancing ist ein Stück aus Fleisch und Blut über die täglichen Rituale des Todes und der Wiederauferstehung. Es entmystifiziert kulturelle und geografische Grenzen in einer Welt der globalen Aktionen und offenbart individuelle und soziale Konflikte des Menschen. Die sechs Interpreten bringen ihre eigene Geschichte der Gewalt, Fragilität, wilder Begierden und grausamen Zweifel, von trivialen Freuden und Hoffnungen zwischen Animalischem und Rationalem ein.

Konzept, Choreografie, Leitung: Marcelo Evelin / Tanz: Fabian Santarciel, Fábio Crazy da Silva, Marcelo Evelin, Josh S., Monika Haasova, Sérgio Matos / Dramaturgie: Loes van der Pligt / Künstlerische Beratung: Alex Guerra / Künstlerische Leitung: Urias de Oliveira, Marcelo Evelin / Licht: Hein Drost / Ton: Jaap Lindijer / Technik: Leonardo Sousa / Musik: Josh J, Sérgio Matos, Fábio Crazy da Silva, Slowakische Folklore, J.S.Bach und Boi de São Simão / Zeichnungen: Gabriel Archanjo / Masken: Mestre Abel, Boi de Madre Deus / Grafisches Design: Áureo Tupinambá Junior / Produktion: Regina Veloso, Klayton Amorim / Realisation: Demolition Inc. mit Unterstützung von Ministério da Cultura, Petrobrás / Prêmio Klauss Vianna de Dança 2006, Prefeitura de Teresina, fcmc / Lei Tito Filho / Co-Produktion: Teatro Municipal João Paulo II, Centro de Criação do Dirceu (Piauí) und Hetveem Theatre (Amsterdam)

Marcelo Evelin

Marcelo Evelin, geboren 1962 in Teresina im Bundesstaat Piauí, ist Tänzer, Choreograph, Regisseur, Wissenschaftler und Dozent für Improvisation und Komposition. Er verließ 1968 Brasilien und studierte in Paris Tanz und Choreografie bei Philippe Decoufle, Josef Nadj und Karine Saporta. Zwei Jahre später setzte er seine Ausbildung an der School for New Dance Development (SNDO) in Amsterdam fort. Er blieb in den Niederlanden und trat Arthur Rosenfelds Tanztheater-Ensemble Meekers bei. Nach einer Assistenz bei Pina Bausch begann er seine Arbeit als Choreograph und gründete in den Niederlanden mithilfe staatlicher Förderungen das Ensemble Demolition Inc. Bisher schrieb, inszenierte und choreografierte er 25 Stücke.

Zurzeit ist er als Bühnenautor und Dozent für Improvisation und Komposition in den Abteilungen für Pantomime und Modernen Tanz an der Kunsthochschule Amsterdam tätig.

Seine jüngsten Arbeiten: Loaded (i.A. des Hetveem Theater Amsterdam), The wakening (Tanzvideo in Zusammenarbeit mit Sergio Gridelli), Luoghi de Solitudene (ein Stück von Alex Guerra, Rom) und Self-Service (für das Tanztreffen Ateliê de Coreógrafos in Salvador-Bahia), 2005. Bull Dancing, eine niederl.-bras. Gemeinschaftsproduktion, 2006. Seit 2006 ist er Intendant des Teatro João Paulo II in Teresina-Piauí. Dort gründete er die beiden Projekte Centro und Núcleo de Criação do Dirceu, die eine Plattform für Forschung und Entwicklung zeitgenössischer Bühnenkunst bieten sollen.