HAU 1: 24. / 26. April, 19.30 Uhr

Companhia de Dança da Cidade

»Danças de Repertório« (Tänze aus dem Repertoire) (Programm 1+2 )

Europäische Erstaufführung
Publikumsgespräch: 26. April, im Anschluss an die Vorstellung

Die Companhia de Dança da Cidade wurde im September 2003 gegründet als eine weitere Aktivität des Curso de Dança der Escola de Comunicação e Artes do Centro Universitário der Stadt Rio de Janeiro – UniverCidade.

Sie verbindet nicht nur die akademische Erforschung der in der Geschichte des brasilianischen Tanzes entwickelten ästhetischen und technischen Richtungen, sondern sie bietet darüber hinaus auch der Gesellschaft Bilder ihres Tanzes und ihrer Geschichte an.

Teilnehmer der Companhia de Dança da Cidade sind Studenten des Tanzkurses der UniverCidade. Diese werden anhand ihrer Aufführung von einer Jury bestehend aus Dozenten des Kurses ausgewählt. Die Gruppe besteht aus 8 Studenten und 2 Praktikanten.

„Die Companhia de Dança da Cidade widmet ihr Repertoire dem modernen und zeitgenössischen Tanz in Brasilien. Sie ist entstanden mit der Unterstützung einer akademischen Institution – Centro Universitário da Cidade – UniverCidade – und stellt sich die schwere Aufgabe, gleichzeitig ein Ort der Forschung/Untersuchung zu sein und gleichzeitig einen Teil der Geschichte des Tanzes der Stadt Rio de Janeiro darzustellen. So sind das Gedächtnis/die Erinnerung und die Forschung Schlüsselaspekte ihrer Identität, die deshalb vielfältig ist und nicht homogen.

In einem permanenten Aufbauprozess wird das Gedächtnis/die Erinnerung aus der Gegenwart - und nicht aus der Vergangenheit - heraus gearbeitet, d.h. es ist die heutige Zeit, aus der sich die Fragen bilden, die in den hier präsentierten Choreografien verarbeitet werden. Die körperliche Dimension der Gedächtnis/der Erinnerung und ihre Gründerrolle in der Ausarbeitung der Bezüge innerhalb des Tanzuniversums wahrzunehmen bedeutet die Anerkennung der Wichtigkeit von Initiativen wie dieser.“

Beatriz Cerbino

Künstlerische Leitung: Marise Reis und Roberto Pereira/ Leitung: Marise Reis/ Tänzer: Aline Nascimento, Amanda Fontenelle, Bianca Hassib, Karine Fernandes, Luna Ornellas, Mariana Poses, Marina Gayani, Michell Baes, Natália Machado, Paloma Monteiro, Renato Cruz, Thainá Moretti/ Technische Leitung: Deise Calaça

Programm 1: 24. April, 19.30 Uhr

Grupo Coringa (três momentos)

45 movimentos

Haydn (1976)

Musik:Joseph Haydn – Konzert für Trompete

3 minutos com a realidade (1980)

Musik: J.S.Bach – Konzert für Klavier und Orchester in F Moll aus dem 3. Satz
Choreografie: Graciela Figueroa
Dauer: 10’

Es handelt sich hierbei um drei symbolische Choreografien von Pionieren des zeitgenössischen Tanzes in Rio: der Compagnie Grupo Coringa, die - gegründet 1977 von der aus Uruguay stammenden Choreografin Graciela Figueroa - bis in die achtziger Jahre aktiv geblieben ist. Das erste Stück, das von Graciela Figueroa noch in Uruguay entwickelt wurde, besteht aus Bewegungen, die auf die Kampfkunst verweisen.

Das zweite Stück ein Solo, das für eine Gruppe von Tänzern umgewandelt wurde, entwickelte sie in Belo Horizonte. Der in dem Stück benutzte goldene Ball symbolisiert den Halleyschen Kometen.
Das dritte Stück wurde für die vierte Ausgabe der historischen Oficina de Dança Contemporânea choreografiert und wurde unter dem Namen „coreografia dos anjinhos – Choreografie der Engelchen“ schnell zum Markenzeichen der Compagnie. Unter den wichtigsten Tänzern, die in der Compagnie Grupo Coringa tanzten waren Carlos Afonso, Debby Growald, Deborah Colker, Guto Macedo, João Carlos Ramos, Lígia Veiga, Mariana Muniz, Michel Robin und Regina Vaz.

Busca Opus 39

(1985)
Choreografie: Sônia Mota
Konzept: Marco Antonio Carvalho
Musik: Karneval der Tiere – Camille Saint-Saëns
Dauer: 11’

Das Solo von Sônia Mota, das sich in drei Abschnitte unterteilen lässt (tormentoso, con fuoco; expressivo ma non troppo e fuga, quasi libera), wurde als Bestandteil von Fuga quasi libera aufgeführt. Es zeigt die künstlerische Laufbahn der Ballerina und Choreografin aus São Paulo und nimmt ihre Ausbildung in klassischem Ballett genauso unter die Lupe wie die Entstehung ihres eigenen Ausdrucks im zeitgenössischen Tanz.

In Berlin ermöglicht Sônia Mota einen anderen Blick auf das Werk, indem sie es mit einer jüngeren Tänzerin als Duo tanzt.

Dança de III

(1994)
Choreografie: João Saldanha
Musik: Suite nº 1 für Solo Cello in G Dur – J. S. Bach
Kostümbild: Francisco Costa
Dauer: 10’

Dança de III wurde 1996 – in einem Schlüsseljahr für den brasilianischen Tanz - an der Bienal de la Danse in Lyon aufgeführte und wurde so ein Markstein für die Karriere des Choreografen João Saldanha und seine Compagnie o Atelier de Coreografia. Es war die erste Arbeit der Compagnie, die auf Tour ging und Anerkennung von Publikum und Kritik bekam. Die intelligente Nutzung des Raums, die bis heute das Werk von João Saldanha prägt, bildete sich mit dieser Erfahrung weiter aus und zeigt seine Meisterschaft in diesem Gebiet auf.

Boxe

(1985)
Choreografie: Renata Mello
Musik: Bref – Barbara
Dauer: 3’

Die Choreografie von Renata Melo ist speziell für die 1982 gegründete legendäre Gruppe Marzipan aus São Paulo entstanden. In dieser Zeit, die für den brasilianischen Tanz sehr wichtig war, wurde der Alltag mit seinen Klischees und seinem Kitsch als Rohstoff für die “Tanzvignetten” in kurzen Choreografien wie dieser verwendet, die von der Companhia de Dança da Cidade gezeigt wird. Bei der Premiere von Boxe tanzten Cacá Ribeiro und Zecarlos Nunes.

Suíte Barroca (zwei Ausschnitte)

(1973)
Choreografie: Nina Verchinina
Unterstützung bei der Wiederaufnahme: Heloísa Graça Couto und Coraly Fernandes
Musik: Sonate No 3 in G dur, Largo e Nobile -- Francesco Maria Veracini
Concerto Op. 5 nº 7 in Dis moll -- Tomaso Albinoni
Kostüm: inspiriert von den Originalen von Towfik
Dauer: 8'

Die letzte große Choreografie von Nina Verchinina, Barocksuite mit Musik von J.S. Bach, war für sie eine Rückkehr zu einem Musikstil, den sie bis dahin ausschließlich 1940 in ihrem ersten Werk Quest benutzte. Diese Suite kann daher auch als Kontrapunkt zu ihren Experimenten mit Metastasis von 1967, der zeitgenössischen Musik von Iannis Xenakis gesehen werden. Der barocke Klang galt als Ausgangspunkt für die kleinen Stücke, für die die Beziehung zwischen Musik und Tanz den roten Faden darstellt.

Catar

(1987)
Choreografie: Lia Rodrigues und João Saldanha
Musik: Montage aus afrikanischer Musik, Sprechgesang und Tearing Herself Away von Philip Glass
Kostümbild: Lia Rodrigues und João Saldanha
Dauer: 12’

Ein Sprechgesang markiert den Ausgangspunkt der Choreografie Catar von Lia Rodrigues und João Saldanha, mit der Lia Rodrigues sich dem Publikum erstmals als Choreografin präsentiert. Das Stück zeigt den Anfang ihrer Karriere als Choreografin und fokussiert somit einen Moment indem sie das Choreografieren als einen möglichen Bereich ihres Schaffens für sich entdeckte.

Außer André Vidal, Denise Panessa, Marise Reis, Lia und João, die bei der ursprünglichen Fassung als Tänzer mitgewirkt haben, haben auch andere wichtigen Tänzer aus Rio de Janeiro wie Jacqueline Mota, Marcelo Braga, Lúcia Aratanha und Deborah Colker bei Catar getanzt.

Minha América (zwei Ausschnitte)

(1985)
Choreografie: Carlota Portella
Musik: Caetano Veloso – “Língua”; “Podres poderes”
Dauer: 10'

Dieses Werk, das Teil des Stückes „América Ladina“ ist, wurde von Carlota Portella für ihre traditionsreiche Tanzcompagnie Vacilou Dançou geschaffen. Es stellte eine mögliche Sichtweise auf die Ästhetik des Jazztanzes dar, der in den 80er Jahren für die Geschichte des Tanzes in Rio de Janeiro bedeutend war. An diesem Stück beteiligten sich hervorragende Künstler wie Renato Vieira, die Geschwister Daniela und Denise Panessa , Adriana Nogueira, Caio Nunes und Washington Cardoso.

Programm 2: 26. April, 19.30 Uhr

Dança de III (siehe oben)

(1994)
Choreografie: João Saldanha
Musik: Suite nº 1 für Solo Cello in G Dur – J. S. Bach
Kostümbild: Francisco Costa
Dauer: 10’

Concerto em F (Primeiro movimento)

1982
Choreografie: Lourdes Bastos
Musik: Concerto em F – George Gerswhin

Mit der Musik des amerikanischen Komponisten zeigt dieses Werk den Blick der Choregrafin auf New York - die Stadt, in der sie zahlreiche Tanzklassen besuchte, die ihre Ausbildung beförderten. Bei der Uraufführung im Theater João Caetano (Rio de Janeiro) tanzten unter anderem José Luiz Bastos, Glória Borghoff, Heloisa Helena Souza und Ivana Mussi

Catar (siehe oben)

(1987)
Choreografie: Lia Rodrigues und João Saldanha
Musik: Montage aus afrikanischer Musik, Sprechgesang und Tearing Herself Away von Philip Glass
Kostümbild: Lia Rodrigues und João Saldanha
Dauer: 12’

Boxe (siehe oben)

(1985)
Choreografie: Renata Mello
Musik: Bref – Barbara
Dauer: 3’

Sentinela

(1983)
Choreografie: Regina Sauer
Musik: Milton Nascimento
Dauer: 7’40
Dank an: Regina Sauer

Sentinela ist ein Teil des zweiten Stücks der 1981 von Regina Sauer gegründeten Companhia Nós da Dança. Fração de Segundo (1983) beginnt und endet mit Sentinela, einer Totenwache, während der eine Frau von ihrer Kindheit bis ins Alter auf ihr Leben zurückblickt.
In dieser ersten Version, die hier neben anderen wiederaufgeführt wird, tanzten André Vidal, Priscila Teixeira, Regina Sauer und Rita Renha. Zum zehnjährigen Bestehen der Gruppe wurde Sentinela unter der Beteiligung von bedeutenden Tänzern wie Carlos Magno, Fernando Filetto, Paula Águas und Tony Rodrigues wiederaufgenommen. Wichtigstes Ausdrucksmittel war der moderne Tanz und insbesondere Techniken von Martha Graham und Lester Hortan, mit denen sich Regina erstmals in New York auseinandersetzte. Daher prägten Techniken des modernen Tanzes das Stück Sentinela bereits zu einer Zeit, zu der diese in Rio de Janeiro noch kaum bekannt waren.

Serenata do Adeus

(1985)
Choreografie: Arnaldo Alvarenga und Lydia del Picchia
Musik: Serenata do Adeus von Vinícius de Morais
Dauer: 7’

Dieses Duo gehört zum Repertoire der Compagnie Trans-Forma aus Belo Horizonte, die von Marilene Martins gegründet wurde und eine der ersten Initiativen zeitgenössischen Tanzes im Bundesstaat Minas Gerais war. Unter anderem tanzten dort Dudude Hermann, Cristina Machado und die Brüder Pederneira, die später Grupo Corpo gründeten.

Valsa Volúpia

(1988)
Choreografie: Ana Maria Mondini
Assistentin: Ângela Nolf
Musik: Johann Strauss
Kostümbild: Murilo Sola
Dauer: 11’20
Dank: Ana Maria Mondini e Ângela Nolf

Dieser Walzer wurde von Ana Maria Mondini, einer Choreografin aus Südbrasilien, die damals in São Paulo lebte, speziell für das Ballet Ópera Paulista erarbeitet, eine wichtige Compagnie, die zwischen 1984 und 1991 unter der Leitung von Ângela Nolf wichtige Namen der Tanzszene aus São Paulo vereinigt hat. Bei der Uraufführung tanzten: Adriana Almeida, Angela Nolf, Beth Resoléu, Carmen Gomide, Deborah Furquim, Marta César, Miriam Druwe und Holly Cavrell. In dem Originalprogramm wurde folgendes Zitat von Clarice Lispector, einer bedeutenden Schriftstellerin, benutzt: „Nicht eine Botschaft möchte ich vermitteln, sondern vielmehr ein intuitives Lustempfinden dessen, was sich in der Natur verbirgt und was ich in ihr ahne“.

Companhia de Dança da Cidade

Marise Reis, diplomierte Sportpädagogin, spezialisierte sich auf Tanzdidaktik für Kinder und Jugendliche (2005 – UniverCidade, Rio de Janeiro). Ihre Tanzausbildung begann sie 1980 im Jazz Dance und Modern Dance. Ihre wichtigsten LehrerInnen waren Carlota Portella, Marly Tavares, Lenny Dale, Regina Sauer, Clarisse Abujamra, Ismael Guiser, Wanda Garcia, Eliana Karin, Nora Esteves, Ceme Jambay, Graciela Figueroa, Dudude Herrman sowie Sonia Mota. Sie tanzte im Ensemble Nós da Dança, bei Victor Navarro sowie im Atelier de Coreografia unter der Leitung von João Saldanha, bei dem sie 15 Jahre tätig war und der sie am stärksten beeinflusste. Als Tanzpädagogin für zeitgenössischen Tanz arbeitete sie in diversen Schulen in Rio de Janeiro sowie in den Ensembles der ChoreographInnen Dani Lima, Deborah Colker und João Saldanha. Seit 2002 unterrichtet sie zeitgenössischen Tanz für den Studiengang Tanz der UniverCidade in Rio de Janeiro und betreut das studienbegleitende Praktikum. Darüber hinaus leitet sie seit 2003 das Hochschul-Ensemble Companhia de Dança da Cidade.

Roberto Pereira promovierte im Fach Kommunikation und Semiotik (PUC/São Paulo) und studierte Philosophie in Wien. Seit 10 Jahren ist er als Tanzkritiker des Jornal do Brasil tätig. An der UniverCidade (Rio de Janeiro) koordiniert er den Studiengang Tanz und leitet gemeinsam mit Marise Reis das Hochschul-Ensemble Companhia de Dança da Cidade. Darüber hinaus verfasst er Werke über Tanz, u.a. "A formação do balé brasileiro" (dt. "Die Entstehung des brasilianischen Balletts"), FGV, 2003, "Giselle, o vôo traduzido" (dt. "Giselle, der übertragene Flug"), UniverCidade Ed., 2003, "Eros Volusia, a criadora do bailado nacional" (dt. "Eros Volusia – Begründerin des brasilianischen Tanzes" , Ed. Relume Dumará, 2004.