Vorträge + Gespräch, HAU 3: 15. April, 17:30 – 19:30 Uhr

Belém do Pará, Fortaleza, Porto Alegre: eine unterschiedliche Art zu tanzen?

Moderation: Susanne Foellmer

Jede Region Brasiliens hat ihre eigenen Charakteristika. Sie entstammen bestimmten kulturellen, politischen, sozialen und ökonomischen Kontexten, die für die Beobachtung des zeitgenössischen Tanzes zu berücksichtigen sind. Welche Unterschiede und Ähnlichkeiten im Tanz es in diesen drei brasilianischen Städten gibt, wird diese Diskussion thematisieren.

Tanz an der Universidade Federal do Pará: Ein einzigartiger Weg:

Waldete Brito (Belém) – Magister in Szenischen Künsten an der UFBA, Dozentin an der Escola de Teatro e Dança (Schule für Theater und Tanz) an der UFPA, Koordinatorin der Kurse für Tanztechniker, Theater und Choreographie. Ballerina, Choreografin, künstlerische Leiterin der Compagnie Experimental de Dança. Ehemalige Leiterin und Choreografin der Grupo Coreográfico da UFPA. Ideengeberin des Projekts Estudo e Criação em Dança Contemporânea (Studium und Schöpfung im Zeitgenössischen Tanz).

Die Stadt Belém, im Norden Brasiliens im Bundesstaat Pará gelegen, hat – ebenso wie die übrigen Bundesstaaten – die Auswirkungen des Militärputsches 1964 erlebt. Trotz der Zensur haben Kunst- und Kulturschaffende Möglichkeiten des Widerstandes gefunden. Die UFPA bot 1967 in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Bildung und Kultur für die Bürger in Pará auf Initiative von Eni Corrêa den ersten Kurs für Modernen Tanz an. 1968 wurde die erste Tanzgruppe im akademischen Kontext gegründet: Grupo Coreográfico da UFPA (Choreographische Gruppe der UFPA), Ausbildungs- und Forschungszentrum für zeitgenössischen Tanz. Mit innovativen und avantgardistischen Vorschlägen trug sie dazu bei, dass der erste Kurs für Technik des Tanzes im Norden Brasiliens an die UFPA angegliedert wurde. Ab 2008 wird es einen Diplomstudiengang für Tanz geben. Wie der Tanz historisch und ästhetisch seinen Weg in die Universität fand, wird auf der Grundlage seiner Beziehungen zwischen Wissen und Kenntnissen im künstlerisch-akademischen Bereich behandelt.

Alpendre von innen und außen:

Andrea Bardawil (Fortaleza) – Choreografin, seit 1991 Leiterin der Compagnie Arte Andanças, Teilnehmerin an den Projekten Rumos Itaú Cultural Dança, Stipendiatin im Bolsa Vitae-Kunstprogramm im Jahr 2000. 2003 war sie künstlerische Leiterin am Tanzkolleg von Ceará. Derzeit ist sie Koordinatorin des Núcleo de Dança do ALPENDRE (Kunsthaus für Forschung und Produktion), des Kurses für Tanztechnik (Senac, Secult e Centro Cultural Dragão do Mar) und der Internationalen Tanzbiennale von Ceará.

Die Erfahrungen der vergangenen sieben Jahre Arbeit im Alpendre haben einen Raum für einen besonderen Dialog zwischen Tanz und anderen Sprachen der Kunst geschaffen und begünstigen einen intensiven und fruchtbaren Austausch für zeitgenössische Fragestellungen. So entsteht neben der künstlerischen Produktion eine Wissensproduktion, die, für sich genommen, neue Räume für neue Entwicklungen erschließt. Studium und Praxis von Tanz im Alpendre, die von der Compagnie Cia. da Arte Andanças eingeführt wurden, reflektieren Vielfalt und Vitalität des szenischen Tanzes in Ceará im Lauf der letzten zehn Jahre. Dieses Panorama wurde entscheidend begünstigt durch die Bienal Internacional de Dança (Internationale Tanzbiennale), durch das Instituto Dragão do Mar (Tanzkolleg von Ceará) und anderen Initiativen. In diesem Bericht sollen einige Besonderheiten dieses Prozesses auf der Grundlage dieses Raums als ein neues Feld der Möglichkeiten in der Stadt, eines Zwischen-Ortes, der immer für das Experiment offen ist, aufgezeigt werden.

Tanz im Süden Brasiliens: Tradition und Zeitgenossenschaft, das Erhabene und Populäre im Widerspruch:

Airton Tomazzoni (Porto Alegre) - Journalist, Choreograf und Wissenschaftler. Magister in Kommunikationswissenschaften an der Unisinos. Professor für Tanz an der UFRGS. Leiter des städtischen Tanzzentrums im Kulturamt von Porto Alegre.

Die Tanzproduktion in Porto Alegre hat eine lange Tradition. Auf der einen Seite gibt es eine starke kulturelle Prägung durch die Folklore des südbrasilianischen Cowboys – des Gaúcho – die vom ländlichen Leben, dem Kämpfen und dem Schlachten des Viehs beeinflusst ist. Auf der anderen Seite steht ein Pionierwesen der künstlerischen Schöpfung im Tanz, das mit dem Instituto de Cultura Física (Institut für Körperkultur) entstand, welches die ersten BerufstänzerInnen in der Dalcroze-Gymnastik ausbildete und bald darauf, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, das klassische Ballet nach Rio Grande do Sul brachte. Das Erhabene und das Populäre gingen immer Seite an Seite und kamen oft miteinander in Konflikt. Die zeitgenössische Szene stellt ein neues Panorama vor, in dem sich diese bislang voneinander unabhängigen Strömungen präsentieren, sich zu vermischen beginnen und eine Beziehung fördern, die auf einzigartige Weise in der aktuellen Produktion zum Tragen kommen.