HAU 2: 18. April, 19 Uhr und HAU 1: 19. April, 18:45 Uhr
Ricardo Marinelli: »Eu tenho autorização da polícia para ficar pelado aqui« (Ich habe eine polizeiliche Erlaubnis, hier nackt zu sein)
Aufführungen vor dem Theater oder im Foyer | Europäische Erstaufführung
Wenn du völlig ohne Kleider dastehst, bist du dann notwendigerweise
nackt? Bedeutet unbekleidet zu sein, etwas Intimes oder
die eigene Identität preiszugeben? Wie bin ich nackt, ohne unbekleidet
zu sein? – Daran anknüpfend entsteht eine Provokation
zwischen Publikum und Künstler: Wenn das Publikum nicht will — und
sein Wille äußert sich durch das Werfen oder Nicht -Werfen
von Münzen in die vor dem Künstler aufgestellten Teller — »passiert
nichts«.
Konzept, Idee und Ausführung: Ricardo Marinelli
HAU 3: 18. April, 20:30 Uhr, 19. April, 20 Uhr
Michelle Moura / Ricardo Marinelli: »mais uma peça selecta« (Noch ein ausgewähltes Stück)
Europäische Erstaufführung
»Couve-flor« Publikumsgespräch 19. April, im Anschluss an die Vorstellung
Eine Diskussion über Sentimentalität und formale Schönheit, die den traditionellen Tanz kennzeichnen und zugleich die Phantasie und die Erwartungen des Tanzpublikums formen. Ein Blick auf Verhaltensklischees (idealisiert und romantisiert durch Kitsch und Pop) und die Banalisierung der Erotik.
Einführung in das Kollektiv der Weltkünstlerminigemeinschaft »Couve-flor«:
minicomunidade artística mundial: www.couve-flor.com
Konzept: Michelle Moura | Idee und Ausführung: Michelle Moura, Ricardo
Marinelli | Soundtrack: Adriano Esturilho | Ton: Gustavo Bitencourt | Licht:
Fabia Guimarães | Beratung: Gladis Tridapalli und Lauro Borges
Ricardo Marinelli, geboren 1981, ist Pädagoge und Wissenschaftler im Bereich
Tanz und zeitgenössische Kunst. Er ist Begründer und Mitwirkender
des Kollektivs Weltkünstlerminigemeinschaft Couve-flor (Blumenkohl), das
aus freischaffenden Künstlern in Curitiba besteht. Er ist Dozent für
Tanz und Rhythmus am Fachbereich Sporterziehung der UFPR (Universidade Federal
do Paraná-Bundesuniversität Paraná). Er nahm an verschiedenen
Tanzevents in Brasilien wie z.B. Panorama Rio Arte de Dança, Tanzfestival
von Araquara und dem Programm Artes na cidade (Künste in der
Stadt) teil.
„Ich habe die polizeiliche Erlaubnis hier nackt zu stehen” ist eine
Tanzaktion, während der, gemeinsam mit dem Publikum, Fragen aufgeworfen
werden, mit Hilfe derer man über die viel diskutierte Notwendigkeit der
Kunst zu reflektieren versucht. „Politik”, „Ausführung” und „Austausch” sind
zentrale Begriffe dieser Aktion, die von den verschiedenen Formen der Entblößung
vor Menschen handelt, wie z.B. dem Wechseln der Kleider in der Öffentlichkeit,
dem Zeigen ganz persönlicher Fotos und der Beantwortung von Fragen
wie z.B.: Was macht mich noch nackter?
„Ich habe...” hatte seine Premiere im Juni 2004 im Projektprogramm
Mostra Tudo (Zeig alles). Noch im selben Jahr wurde es auf dem 13. Panorama Rio
Arte de Dança in Rio de Janeiro gezeigt und konnte an der von der FUNARTE
geförderten Tournee 2004/2005, die durch ausgewählte Regionen Brasiliens
führte, teilnehmen.
Michelle Moura ist Tänzerin, Choreografin und Dozentin. Ihre
Stücke spielen an den Grenzen des zeitgenössischen Tanzes
und der Performance-Kunst. In der Casa Hoffmann in Curitiba gründete
und organisierte Michelle Moura im Kollektiv den Ciclo de Ações
Performáticas (Zyklus für performatische Aktionen) und
versuchte, einen Raum für den Dialog zwischen den verschiedenen
künstlerischen Darbietungen der Stadt herzustellen. Ihr Stück „Linhas
(de pensamento) ou a tarefa de dizer coisas importantes para pessoas
românticas“ (2005) (Gedankengänge oder die Aufgabe,
wichtige Dinge zu romantischen Menschen zu sagen), war Teil des Projekts
Mostra Tudo (Zeig alles), das von der FUNARTE prämiert wurde.
Sie wirkt in der Weltkünstlerminigemeinschaft Couve Flor (Blumenkohl)
und in der Tanzcompagnie Dani Lima aus Rio de Janeiro mit, die im
Jahr 2005 zu Gast bei move berlim war. Sie ist Interpretin und Ko-Autorin
des Projekts Vida Real (Wirkliches Leben) (2006).
„Noch ein ausgewähltes Stück” behandelt Fragen, die sich
auf die Bedeutung des zeitgenössischen Tanzes beziehen. Es thematisiert
Alltagsbeziehungen, die auf der Grundlage von konstruierten, idealisierten und
romantisierten Bildern in Telenovelas, im Film und auf Werbefotos beruhen. Es
birgt die Möglichkeit, Kitsch und Pop als einen Zustand zu betrachten, in
dem wir uns befinden, als eine Art „Lebens-Markt-Kunst“, die unvermeidbar
ist (und vielleicht eine Frage des Überlebens). Es ist ein Spiel mit dem,
was man gern übersieht und das als dumm, kitschig und minderwertig angesehen
wird: Ein Spiel mit dem schlechten Geschmack.
Kleider, Früchte, Brottüten, Musikstücke von Roberto Carlos, Tanzschritte
der Mädchen aus der Unterhaltungssendung Faustão, nackte Körper.
Nackte Körper? Pop und Kitsch als Zugang zu Klischees des Sozialverhaltens,
zu oberflächlichen Gefühlsbeziehungen, künstlichem Lächeln
und aufgesetzten Haltungen.
„Noch ein ausgewähltes Stück” hatte 2004 im Rahmen des
Projekts Verão em cena (Sommer auf der Bühne) von der Fundação
Cultural de Curitiba (Kulturstiftung Curitibas) Premiere. Im selben Jahr wurde
das Stück auf dem 13. Panorama Rio Arte de Dança in Rio de Janeiro
gezeigt.