HAU 1: 7. / 8. April, 19.30 Uhr

Marcelo Evelin / Demolition Inc.
+ Núcleo Do Dirceu, Teresina

»Matadouro« (Schlachthof)

Europäische Erstaufführung
Publikumsgespräch: 8. April, im Anschluss an die Vorstellung

„Matadouro“ bildet den Abschluss der Trilogie von Marcelo Evelin/Demolition Inc. Begonnen hatte sie mit dem Stück „Sertão“ (Niederlande 2003), um dann mit „Bull Dancing“ (Brasilien 2006; 2009 bei move berlim gezeigt) fortgesetzt zu werden. Zur Konzeption dieser Trilogie entlieh sich Marcelo Evelin Teile des Romans „Krieg im Sertão“ von Euclides da Cunha: das Land in „Sertão“, den Menschen in „Bull Dancing“ und den Kampf in „Matadouro“.

Euclides da Cunha begleitete als Journalist den Kampf um die Stadt Canudos und machte ihn zum Thema seines Romans. In Canudos hatten sich zum Ende des 19. Jahrhunderts vor allem Arme und ehemals versklavte Schwarze einen Ort ohne Ungerechtigkeiten aufgebaut, wurden durch territoriale Konflikte mit Klerus, Medien und Großgrundbesitzern der Republikfeindlichkeit bezichtigt und letztendlich, trotz heftigster Gegenwehr, niedergemetzelt. Da Cunha reiste im Gefolge der Regierungstruppen, doch durch die Geschehnisse identifizierte er sich mehr und mehr mit den Idealen Canudos. So entstand eines der wichtigsten Bücher zur Identität Brasiliens.

Evelins Arbeit setzt sich auseinander mit den Fragen, die mit einer verdrängten territorialen und kulturellen Identität und mit dem Aufeinanderprallen von Rationalität und Animalität im Leben des gegenwärtigen Menschen zusammenhängen.

„Matadouro“ erforscht den Körper als Metapher eines Schlachtfeldes, auf dem der Kampf sich abspielt zwischen Establishment und Marginalität, zwischen Barbarei und Zivilisiertheit, zwischen Territorialgebiet und globaler Welt. Der menschliche Körper ist somit geworfen in den subjektiven, indirekten Raum des „Dazwischen“. Weder dort noch hier, bewegt er sich in einem Spannungsfeld zwischen Weitermachen und Aufgeben. Das Leben als prekäres Dasein. Ein Leben, das im Körper „tötbar“ ist. Ein Leben, das, mittellos, sich widersetzt und einsetzt.

„Matadouro“ wird dargestellt von acht Interpreten, die in atemloser Bewegung den Kampf in seiner äußersten Ausprägung verkörpern. Das Stück wird begleitet von dem Streichquintett in C-Dur von Franz Schubert.

Marcelo Evelin/Demolition Inc + Núcleo do Dirceu: Alexandre Santos, Andrez Lean Ghizze, Cipó Alvarenga, Fábio Crazy da Silva, Fagão, Izabelle Frota, Jaap Lindijer, Jacob Alves, Josh S., Layane Holanda, Marcelo Evelin, Regina Veloso, Sérgio Caddah, Silvia Soter
Marcelo Evelin ist Choreograf, Wissenschaftler und Interpret. Er arbeitete und lebte von 1986 bis 2006 vorwiegend in Europa und seitdem vorwiegend in Brasilien, wo er im Tanz und Theater tätig war und ist. In seiner Arbeit kommt er mit Profis unterschiedlichster Sprachen, Nationalitäten und Erfahrungen in verschiedensten Projekten zusammen, die Musik, Video, Installationen miteinschließen. Zusammen mit seiner Compagnie Demolition Inc. hat er eine Residenz am Hetveem Theater in Amsterdam und unterrichtet Improvisation und Komposition an der Kunsthochschule Amsterdam, an der er auch eigene Projekte initiiert sowie kreative Projekte der Studenten begleitet. Außerdem leitet er Workshops und Kooperationsprojekte in zahlreichen europäischen Ländern, den USA, Afrika, seinem Heimatland Brasilien, in das er 2006 zurückkehrte, und dem restlichen Südamerika. Seitdem wirkt er auch als Manager und Kurator, gründete und koordiniert eine Vereinigung unabhängiger Künstler sowie eine Plattform für Forschung und Entwicklung zeitgenössischer Performance: Núcleo do Dirceu in Teresina/Piauí. Seine letzten zwei Stücke „Bull Dancing“ (2006) und „MONO“ (2008) wurden in Brasilien und im Ausland aufgeführt. Im November 2010 hatte der letzte Teil der Trilogie „Matadouro“ beim Festival Panorama de Dança/RJ seine Premiere und wurde im Galpão do Dirceu/PI und bei der Mostra SESC de Artes/SP präsentiert.